Rechte und Pflichten von Grundstückseignern


Im § 354 des allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) steht geschrieben: „Eigentum ist das Befugnis, mit der Substanz und Nutzung einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen.“ Gut zu wissen: Nur ein Grundbucheintrag macht mich zum Liegenschaftseigentümer. Dort können mehrere Personen mit Anteilen vermerkt sein. Wichtig: jeder dieser Personen ist ideeller Anteilseigner der gesamten Sache, es gehört ihm also der Bruchteil jedes Grashalms. Eventuelle Benützungsregeln müssen einstimmig vereinbart werden. Ebenfalls wichtig: nur wenn diese Regeln ins Grundbuch übertragen werden, sind sie auch für Rechtsnachfolger verbindlich.

Mir gehört das Grundstück, also habe ich Rechte. Ich kann über mein Eigentum beliebig verfügen, es bewohnen, es vermieten, es belasten, und es auch verkaufen. Wichtig: bei gewerblicher Nutzung gilt es Sonderbestimmungen zu beachten. Und ich habe das Recht mich gegen störende Einflüsse von außen zu wehren. Das was von außen auf mich einwirkt, mich zum Empfänger macht, wird in der Fachliteratur als „Immission“ bezeichnet.

Andererseits kann eine Störung von meinem Grundstück ausgehen. Dieses Aussenden heißt, leider fast identisch, „Emission“. Aus diesem Grund existieren auch Rechte der Nachbarn und der Allgemeinheit, daraus ergeben sich für mich Einschränkung meiner Rechte, also Verpflichtungen.

Die Judikatur zu diesen Themen füllt viele Regalmeter. Der vorliegende Beitrag soll keine Rechtsberatung sein, sondern nur auf die wichtigsten Aspekte aufmerksam machen. Unsere Siedlung besteht aus eher kleinteiligen Parzellen, daraus ergibt sich eine besondere Bedeutung des nachbarschaftlichen Miteinanders.

Wer gilt als Nachbar?

Im Sinne der Gesetze ist es nicht bloß der unmittelbare Anrainer. Als Nachbarn gelten auch jene die im gegenseitigen Einflussbereich liegen. Diese Definition bietet einen sehr breiten Interpretationsspielraum. Einzelne Gesetze bieten genauere Definitionen, leider werden dazu oft Gerichtsentscheide notwendig.

Was der Nachbar darf und nicht darf

Für all das folgende gilt sinngemäß auch die Umkehrung. Was der Nachbar nicht darf, das sollte auch ich selbst tunlichst vermeiden. Hier müssen zu Beginn zwei in den Gesetzestexten vorkommende schwammige Begriffe abgehandelt werden: ungebührlich und ortsüblich. Als ungebührlich bezeichnen wir ein Verhalten das den guten Sitten widerspricht. Ortsüblich sind die in der jeweiligen Gegend herrschenden und von der Allgemeinheit akzeptierten Verhältnisse. Soweit so breitbandig, eine Freude für Rechtsanwälte, eine Belastung für Gerichte.

Der § 364 des ABGB sagt ganz allgemein zu Immissionen: „Man darf dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geräusche, Erschütterungen nur dann untersagen wenn diese das ortsübliche Maß überschreiten.“ Dem zum Trotz gibt es genauere Bestimmungen.

Lärm

Ein Nachbar darf nicht ungebührlicherweise störenden Lärm verursachen. Über die Lautstärke vom Radio kann man noch streiten. Zu einer Reihe anderer Krachmacher gibt es gesetzliche Regelungen.

So verpflichtet das Wiener Baulärmgesetz einen Bauführer, den tätigen Handwerker bzw. den Auftraggeber zur Vermeidung von unnötigem Baulärm. Wenn möglich sind elektrisch betriebene Maschinen einzusetzen. Zwischen 20:00 Uhr abends und 6:00 Uhr früh ist grundsätzlich jede lärmerzeugende Bauarbeit verboten.

Und dann gibt es noch eine Verordnung des Magistrats über Benzinrasenmäher. Es dürfen an Samstagen von 12 Uhr bis 24 Uhr und an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 Uhr bis 24 Uhr keine mit Verbrennungsmotoren angetriebenen Geräte oder Maschinen verwendet werden.

Andere, wie zum Beispiel die in Kleingartenvereinen vorgeschriebenen Ruhezeiten gelten für unsere Siedlung nicht.

Und da ist noch eine andere Art von Lärm, nämlich jener über unseren Köpfen. Nun ist Wien ein Flugbeschränkungsgebiet. Es wurde sinnvollerweise aufgrund eines Zusammenstoßes zweier Kleinflugzeuge am 16. Mai 1964 über dem 7. Bezirk eingeführt. Wie wir wieder vermehrt hören, gibt es da eine Ausnahme, nämlich für die großen Flugzeuge. Die Luftverkehrsregeln 2010 enthalten den gesetzlichen Rahmen. Dort steht unter anderem, dass dabei das Stadtgebiet zu meiden ist: „Wenn es die Wetterlage und die Verkehrslage zulassen und Gründe der Sicherheit der Luftfahrt nicht entgegenstehen, ist auf dem Flughafen Wien-Schwechat in der Richtung nach Westen beziehungsweise nach Norden zu landen.“

Geruch

Hier haben wir ihn wieder, den § 364 des ABGB. Die Aussendung von Geruch, Rauch, Gasen können wir dem Nachbarn nur dann untersagen sofern sie das ortsübliche Maß überschreiten. Das wird wohl auf den Geruch und Rauch einer mäßig betriebenen Grillerei eher nicht zutreffen. Da wäre die beste Lösung, dass der Grillmeister die betroffenen Nachbarn einfach einlädt. Störungen durch Gewerbebetriebe und Landwirtschaft sind bei uns kein Thema.

Tiere in der Nachbarschaft

Tierbesitzer sind verpflichtet diese artgerecht zu halten, so dass Menschen nicht gefährdet werden. Für etwaige Schäden muss der Tierhalter aufkommen. Es gibt keine einheitliche Regelung bezüglich tierischer Belästigungen, wie Lärm Geruch Verunreinigung oder Eindringen auf fremden Grund. Hier gilt wieder das Prinzip der Ortsüblichkeit. Das Halten von gefährlichen Tieren ist überhaupt verboten. Das störende Krähen eines Hahnes kann möglicherweise nicht durch das Spenden von Eiern legefreudiger Hendln ausgeglichen werden. In all diesen Fällen ist es am besten das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen.

Bei all diesen Lästigkeiten raten wir zu einem stufenweisen Vorgehen.
1) die Störung möglichst frühzeitig feststellen und agieren, bevor der Grant hochsteigt, den Verursacher freundlich darauf hinweisen und um Rücksichtnahme ersuchen.
2) hilft nix? Dann die Einschaltung der Polizei ankündigen. Oft macht das ausreichend Eindruck auf den Störer.
3) nutz nix? Dann die Polizei rufen. Diese Organe haben ein  geeichtes Sensorium für orts- und zeitübliche „Immisionen“.
Versuchen sie dabei immer ruhig jedoch bestimmt ihr Anliegen zu vertreten. Es wird Ihnen Respekt verschaffen.

Anstandsverletzungen

 So lustig es klingt, es ist das Anspritzen eines Nachbarn mit dem Gartenschlauch nicht erlaubt, ebenso wenig das Bespucken, oder das laute Schreien von Schimpfwörtern. All das zählt zu den Anstandsverletzungen.
 
Ästhetische Immissionen

Was ist denn das? Nun, zum Beispiel ist der Anblick von hässlichen Gartenzwergen auf Nachbars Grundstück zu ertragen, ebenso wenn er seine Liegenschaft in einen Schrottplatz verwandeln sollte. Eine dabei auftretende Rattenplage kann jedoch bekämpft werden. Des Weiteren kann der Ausblick auf ein behördlich genehmigtes Bordell nicht eingeklagt werden. Handymasten können auch als Belästigung empfunden werden. Als Abwehr gibt‘s hier nur den Zusammenschluss und das gemeinsame Vorgehen der Betroffenen. Speziell mit dem neuen Standard 5G muss die ganze Landschaft mit einem dichten Netz an Sendestationen überzogen werden. Diese sind klein und die Installation erfolgt unauffällig. Danach senden sie munter drauflos.

Schneeräumung

Es gibt dazu Verordnungen des Magistrats und den § 93 der Straßenverkehrsordnung (StVO): Zwischen 6 und 22 Uhr müssen Gehwege samt den dazugehörigen Stiegenanlagen geräumt bzw. bei Glatteis bestreut sein – es sei denn, es liegt eine behördliche Befreiung durch die MA 46 vor. In diesem Fall ist eine Kennzeichnung vor Ort erforderlich. Für Grundstückseigentümer ergibt sich ein nicht lösbares Problem. Der Schnee darf nicht auf die Straße geschaufelt werden, die Räumfahrzeuge schieben hingegen den Schnee von der Straße auf den Gehsteig. Meist ist der Ausweg gar nicht zu räumen, was leider zu rechtlichen Konsequenzen führen kann. Wir sind ebenfalls ratlos. Nach § 93 Abs. 2 der StVO sind auch drohende Dachlawinen von straßenseitig gelegenen Dächern zu entfernen. Gemäß Judikatur gilt das sinngemäß auch für Dachlawinen die auf andere Grundstücke abgehen können.

Grundstückgrenzen

an der Grenze endet mein Eigentumsrecht und beginnt jenes des Nachbarn. Wer auf seinem Grund eine Abgrenzung errichtet so steht diese in seinem Eigentum. Im Zweifel besteht ein gemeinsames Eigentum. In diesem Fall besteht Eigentum an dieser Einrichtung bis jeweils zur Mitte. Das Gegenüber darf im Gebrauch seines Anteils nicht gestört werden. Der Eigentümer einer Mauer ist insoweit zur Instandhaltung verpflichtet, so das dem Nachbarn kein Schaden entsteht. Ist eine Grenze streitig oder unkenntlich geworden kann in einem gerichtlichen Verfahren eine Berichtigung durchgeführt werden. Keinesfalls sollten Grenzen eigenmächtig gezogen werden.

Das Vermessungsgesetz 1968 sieht einen Grenzkataster vor. Dort werden alle Neuvermessungen verbindlich eingetragen. Das ergibt einen verbesserten Rechtsschutz für Eigentümer. Unklarheiten oder Differenzen werden dann rein vermessungstechnisch geklärt.

Vorsicht bei Videoüberwachung: die Kameraerfassung darf nur das eigene Grundstück bestreichen.

Bäume und Sträucher

Bäume Sträucher darf ich in meinen Garten setzen wohin ich will, auch direkt an die Grundstücksgrenze. Es besteht für mich keine Verpflichtung Äste und Wurzeln die in Nachbars Garten eindringen zu beseitigen. Dafür kann der Nachbar, auf eigene Kosten, jeden Überhang entfernen und Obst in seinem Luftraum ernten. Anders, wenn die Gewächse in den öffentlichen Raum ragen. Hier kann die Behörde gemäß § 91 StVO einen Rückschnitt verlangen.

Negative Immissionen

Es gibt auch sowas! Darunter werden Einwirkungen verstanden die meinem Grundstück nichts zuführen, sondern ihm etwas entziehen, z. B. Licht, Sonne, Aussicht, also wenn Nachbarsbäume in den Himmel wachsen und Schatten werfen, wenn der Neubau nebenan den Blick auf die Landschaft versperrt. In diesen Fällen gibt es eher wenige Möglichkeiten dagegen vorzugehen.

Ein ewiges Thema ist die Frage nach dem „Recht auf Licht“. Das wird speziell in den Siedlervereinen ausführlich diskutiert. Wenn mir Nachbars Bäume den Himmel verdunkeln gibt es für mich einerseits im § 364 Abs. 3 des ABGB eine rechtliche Grundlage ihn zum Einkürzen zu nötigen. Andererseits wird in der Rechtsprechung diese Möglichkeit sehr restriktiv gehandhabt. Die Chancen zur Durchsetzung sind also ernüchternd gering. Das gilt erst recht wenn der Wald der Nachbar ist.

Baumschutz

Unsere Bäume haben noch ein besonderes Mascherl. Es ist das Wiener Baumschutzgesetz zu beachten. Hat ein Baum, ausgenommen sind Obstbäume, einen Stammumfang von mehr als 40 cm so ist er geschützt. Er darf nur mit Genehmigung des Stadtgartenamts gefällt werden, dafür werden Ersatzpflanzungen vorgeschrieben oder sind Ausgleichszahlungen zu leisten. Dieses Baumschutzgesetz ist übrigens ein Erbe der Kronenzeitung-Kampagne des Jahres 1973 gegen die Verbauung des Sternwarteparks. Die Stadt Wien verlor damals eine Volksbefragung, der Bürgermeister Slavik trat zurück, sein Nachfolger legte dann den Schutzschirm gleich über alle Wiener Bäume.

Parken vor der eigenen Einfahrt

Das ist ein Schmankerl! Denn grundsätzlich verbietet die StVO ja das Parken vor Haus- und Grundstückseinfahrten. Erlaubt ist nur das Halten (also ein Abstellen bis zu 10 Minuten), sofern der Lenker im Fahrzeug verbleibt. Im Lauf der Jahre hat sich aber eine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entwickelt, wonach derjenige, der über eine Hauseinfahrt allein verfügungsberechtigt ist, sein Fahrzeug vor der Einfahrt abstellen darf. Das gilt nur wenn dort kein allgemeines Parkverbot herrscht. Ebenso ist eine etwaige Gebührenpflicht zu beachten. Wie jedoch dem strafwütigen Organ die Eigentümerschaft nachweisen wenn man gerade nicht in der Nähe ist?

Das Baurecht

ist ebenfalls eine unendliche Geschichte. Einmal sind wir Täter, indem wir selbst zu groß bauen. Andermal sind wir Opfer, weil der Nachbar eine Monsterhütte plant, die noch dazu hässlich ist.

Bei den Nachbarrechten im Bauvorhaben gilt ein eingeschränkter Nachbarbegriff. Benachbarte Liegenschaften sind hier jene, die mit der geplanten Baustelle eine gemeinsame Grenze haben oder jenseits von Fahnenparzellenzugängen oder öffentlichen Verkehrsflächen liegen. Diese Nachbarrechte werden im § 134 der Bauordnung für Wien festgehalten und können im Baubewilligungsverfahren geltend gemacht werden. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf Abstand und Höhe des Gebäudes, die Einhaltung von Fluchtlinien und des Flächenwidmungsplans. Achtung: Nachbarn können nur mittels Beschwerden über die ihnen zugewandte Gebäudefront des Bauvorhabens Parteistellung erlangen. Sinnvoll ist daher sich mit allen Anrainer zusammen zu tun um gemeinsame Interessen zu vertreten.

Wichtig: früher war für eine Baugenehmigung zwingend eine Bauverhandlung vorgeschrieben. Dazu wurden alle Anrainer schriftlich eingeladen und konnten ihre Einwände vorbringen. Seit einigen Jahren gibt es nun ein vereinfachtes Baubewilligungsverfahren nach § 70b der Bauordnung für Wien. Hier findet keine Bauverhandlung mehr statt! Der um Baugenehmigung Ansuchende hat bloß seine Nachbarn nachweislich von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Dazu genügt ein kleiner unscheinbarer Zettel am Zaun. Die Nachbarn haben dann drei Monate Zeit Einwendungen zu machen. Falls der Zettel unbemerkt bleibt: Pech gehabt.

Auf unseren Berg gibt es steile Gartenanlagen mit teilweise ungünstiger geologischer Schichtung, also mit der Gefahr von Hangrutschungen. Hier trifft § 364a des ABGB eine besonders wichtige Aussage. „Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden oder das Gebäude des Nachbarn die erforderliche Stütze verliert…“. Leider ist die Verpflichtung zu einem entsprechenden geologischen Gutachten aus der Wiener Bauordnung verschwunden.

Beschreitung des Rechtsweges

Womit wir beim letzten Thema sind: wie kann ich mich wehren? Bei Störungen durch Nachbarn sieht der Rechtsweg eine Unterlassungsklage vor. Bei entsprechendem Urteil hat dann der Verursacher diese Störung zu vermeiden. Achtung: wegen der erwähnten vielen Unsicherheiten wäre vor dem Gang zum Gericht der Rat eines Rechtsanwaltes einzuholen. Generell sollten davor andere Lösungsmöglichkeiten angestrebt werden. Näheres dazu weiter unten.

Und dann gibt es noch die Besitzstörungsklage. Die wäre dann einzubringen, wenn eine andere Person in meine Eigentumsrechte eingreift. Das gilt gegenüber ungebetenen Eindringlingen und eigenwillig agierenden Mietern.

Andere Lösungsmöglichkeiten

Der schon mehrmals zitierte § 364 des ABGB sagt im Abs. 1 aus: „…Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen“.
Wünschenswert erscheint es daher Konflikten vorzubauen. Dazu einige Ideen: sensibel sein für die Auswirkungen von eigenen Tätigkeiten oder Unterlassungen, den Nachbarn Informationen geben, Gespräche anbieten, um Verständnis ersuchen, Einladungen aussprechen.

Mediation

Wenn Konflikte entstanden sind kann, wie geschrieben, der Weg über Rechtsschutz, Rechtsanwalt und letztendlich über das Gericht führen. Wir erachten es als besser außergerichtliche Einigungen zu suchen mit der die Konfliktparteien leben können. Die Methode der Mediation ist ein geeignetes Verfahren dazu.

Text: Karl Melber, Obmann Verein Kordonsiedlung

Zurück